Cgil-head-Bild

Die Muttersprache ist ein kultureller Schatz

In der aktuellen Ausgabe der Zeitung "politik und kultur" des Deutschen Kulturrates stellt sich das CGIL Bildunswerk in einem umfassenden Portrait vor.

 

Die Muttersprache ist ein kultureller Schatz ...

 

... Das sagt einer, der mit vier Jahren aus Italien nach Deutschland kam, kein Wort Deutsch sprach und sich erst einmal durchkämpfen musste. Franco Marincola ist Vorsitzender des CGIL-Bildungswerkes e.V. und weiß ganz genau, worauf es bei der Migrationsarbeit ankommt. Damals wie heute gilt: Das Erlernen der deutschen Sprache ist der erste Schritt zur Integration, aber der Erhalt der eigenen Kultur ist mindestens genauso wichtig.

 

Bildungsträger mit Erfahrung

Seit über 20 Jahren findet das CGIL Bildungswerk immer wieder neue Möglichkeiten, um Migrantenfamilien italienischer Herkunft und anderer Nationalitäten die Integration zu erleichtern und sie bei diesem Prozess zu unterstützen. Neben dem Hauptsitz in Frankfurt am Main haben sich seit 1987 weitere Abteilungen in Offenbach, Berlin, Hamburg und Köln etabliert. Die CGIL ist ein international tätiger und gemeinnütziger Bildungsträger, der primär im schulischen Bereich bei der Integration Jugendlicher mit Migrationshintergrund und in der Erwachsenenbildung tätig ist. Die zahlreichen nationalen und internationalen Projekte des Bildungswerkes weisen ein weites Spektrum auf: Sie beziehen sowohl Kleinkinder ein, die auf den Grundschulbesuch vorbereitet werden, als auch Erwachsene und Rentner, die sich weiterbilden oder die deutsche Sprache erlernen wollen.

 

Brücke zwischen den Kulturen

Hier liegt nämlich der „Schlüssel zur Integration“: Durch den Erwerb der deutschen Sprache ist ausländischen Einwanderern eine Chance gegeben, sich zu verwirklichen und für eine positive berufliche Perspektive zu sorgen. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche, die nicht auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen können, da diese schlichtweg kaum Kenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Das Bildungswerk sieht seine Leistung darin, als Bindeglied zwischen Schule und ausländischer Familie zu wirken. In der Migrationsarbeit agieren Experten/innen und Fachleute, die selbst Migrationserfahrung mitbringen und zweisprachig sind. Sie fördern den Dialog zwischen Schule und Migrantenfamilie, sie verstehen bestens beide Kulturen und wissen, wo Probleme oder Missverständnisse auftreten können. Unter anderem organisiert das Bildungswerk Informationsveranstaltungen für Eltern und Schüler in der Herkunftssprache und bietet stets die Möglichkeit zu Austausch und Gespräch. Auch die Frage, was nach der Schule passiert, ist für die CGIL-Mitarbeiter von höchster Bedeutung. Hauptzielsetzung des Projekts JUMINA (Junge Migranten in Ausbildung) ist, ausländische Jugendliche im Anschluss an den Schulabschluss in eine reguläre Ausbildung zu orientieren. JUMINA-Mitarbeiter unterstützen Schüler bei der Job- und Praktikasuche, proben Vorstellungsgespräche und bereiten auf das Arbeitsleben vor. Seit 2007 nahmen über 2000 Jugendliche an JUMINA teil. Zu Beginn dieses Jahres verlängerten die Agentur für Arbeit und die Stadt Offenbach zusammen mit dem Staatlichen Schulamt für Stadt-und Land Offenbach das erfolgreiche Projekt bis 2012.

In ihren Projekten bauen die CGIL-Mitarbeiter sowohl sprachliche Brücken zwischen den Kulturen auf, als auch Verbindungen zu weiteren kulturellen Aspekten, wie Musik und Kunst. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Grundschulkindern. Regelmäßige Besuche in der städtischen Bibliothek, Kunst- und Musikkurse, sowie selbst inszenierte theatralische Aufführungen gehören zum festen Repertoire. Dabei wird Wert auf die fachliche Kompetenz von Künstlern, Künstlerinnen und Lehrkräften von Musikschulen gelegt. Ein besonderes Highlight ist die Veranstaltungsreihe „Oper für Kinder“, organisiert von der Oper Frankfurt. Das Angebot richtet sich an Kinder ab sechs Jahren und ermöglicht einen ersten Einblick in die Arbeit des Musiktheaters. Für die Kinder ist der Besuch einer Oper-Aufführungen, wie zum Beispiel „Frau ohne Schatten“ von Strauss, kindgerecht aufbereitet, etwas ganz Besonderes.

Eine einmalige Erfahrung für Jugendliche auf Ausbildungssuche bietet das Projekt Futuro (italienisch für Zukunft). Sie erhalten die Möglichkeit, in Italien oder in der Türkei ein Praktikum zu absolvieren. Während des viermonatigen Aufenthalts lernen sie ihr Heimatland aus einer völlig neuen Perspektive kennen: Kein Urlaub am Meer, kein Sightseeing, sondern Alltag und Arbeitsleben in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie und Tourismus. Vielen Teilnehmern wird dabei bewusst, wie sich die Kultur im Herkunftsland tatsächlich entwickelt hat und wie diese Veränderungen sich in Deutschland manifestieren.

 

Kulturträger Muttersprache

Mehr als ein Dutzend Sprachen verteilen sich unter den CGIL-Mitarbeitern. Zur Philosophie ihrer Arbeit gehört grundsätzlich, die Muttersprache und den kulturellen Hintergrund bei aller Integrationsarbeit zu bewahren und zu pflegen: „Die eigene Muttersprache ist ein kultureller Schatz“, betont Franco Marincola, „wir betrachten es als Geschenk, zwei Sprachen sprechen zu können. Das erweitert den persönlichen Horizont, macht offen für Kultur und bietet viele weitere Möglichkeiten, die wir positiv nutzen. Auch ein Dialekt ist ein kulturelles Gut.“ Herkunftssprache und deutsche Sprache stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, sondern ergänzen sich positiv. Qualifizierte ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund sind wertvoll für die deutsche und europäische Wirtschaft. Denn nebst ihrer Mehrsprachigkeit verfügen sie über Interkulturelle Kompetenzen, die im globalen wirtschaftlichen Austausch besonders wichtig sind. Das bilinguale Modellprojekt BINAT des Bildungswerkes begreift den Migrationshintergrund als eine besondere Stärke. Es beinhaltet eine zweisprachige kaufmännische Grundausbildung, verbunden mit einer EDV- und Internetschulung. Das erfolgreiche Projekt läuft in verschiedenen Städten, wie Frankfurt, Hamburg und Berlin.

Gerade für die Erwachsenenbildung ist die bilinguale Herangehensweise fundamental. Viele ältere Migranten verfügen über schlechte Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur. Dabei ist es ganz gleich, seit wie vielen Jahren sie in Deutschland leben oder ob sie im hohen Alter hinzugezogen sind. Projekte wie das Ethnisch verankerte Gruppenprofiling ermöglichen ausländischen Teilnehmern im Alter über 50 die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt und die Annäherung an die deutsche Kultur und Sprache. Dabei gehen die zweisprachigen Mitarbeiter unter anderem in Einzel- und Gruppengesprächen auf die Teilnehmer ein und organisieren Veranstaltungen, die ihnen kulturelle Einblicke über den eigenen Herkunftshorizont verschaffen.

 

Bildungspolitische Maßnahme Nummer Eins: Sprachförderung

„Oftmals ist es nicht selbstverständlich, dass gerade schwache Kinder von der Schule aufgefangen werden. Da müssen wir eingreifen und besonders nachhelfen“, kritisiert Marincola. „Sprachförderung sollte zu den Hauptaufgaben der Schule zählen, die Eltern mit Migrationshintergrund sind damit oftmals überfordert.“ Seit 2006 wirkt Marincola bei der Erstellung des Nationalen Integrationsplan mit. Er ist Teil der Arbeitsgruppe, die sich mit der Integration von Zuwanderern in Schule und Beruf befasst. Das CGIL-Bildungswerk fordert von den Ländern, mehr Geld und Lehrerstellen für die Sprachförderung von Migranten zur Verfügung zu stellen. Auch die Migrantenorganisationen selbst übernehmen hierbei Verantwortung. Im Rahmen des Nationalen Integrationsplans haben sie einen umfangreichen Katalog von Selbstverpflichtungen unterzeichnet. Dieser wurde von der Bundesregierung und den Migrantenorganisationen im Rahmen von Arbeitsgruppen ausgearbeitet. Ziele sind unter anderem eine bessere Integration der Migranten in die deutsche Gesellschaft und Fortbildung der Lehrkräfte im Umgang mit Migrantenkindern.

 

Hier gelangen Sie zur Homepage und können die Ausgabe 02/2010 von politik und kultur lesen.